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KUZ Quartett 2015-3 - Kolumne

"Quartett" heißt unser Kundenmagazin, das Sie über die neuesten Entwicklungen in unseren Stadtwerke-Unternehmen und über alles Wissenswerte zu deren Tätigkeitsbereichen Energie, Wasser, Entsorgung, Verkehr, Bäder, Stadtbeleuchtung informiert.

Kolumne BADEKAPPEN UND BOCKWURST Schwimmhallen haben was Faszinierendes. Als Kind des Flämings waren sie früher sogar etwas Exotisches. In den Ferien vom 900-See- len-Dorf mit Feuerlöschteich in die große Bezirks- hauptstadt Potsdam fahren, um in der Schwimm- halle am Brauhausberg baden zu gehen, war ein aufregendes Unterfangen. Allein die Zugfahrt war ein Abenteuer: Umsteigen in Bergholz, dann in die Straßenbahn in Rehbrücke und mit der Tatra durch die Stadt gezottelt. In der Schwimmhalle empfing einen gleich hin- ter der Tür der Geruch von Chlor und die Frage, wie man sich am besten umzieht, ohne dass man sich entblößt. Die Sorge als Zehnjähriger, dass ei- nem was wegeguckt wird, ist – aus heutiger Sicht – unglaublich groß. Damals aber verlangte sie in der Umkleide durchaus akrobatisches Geschick. Badekappen waren Pflicht, was ein Problem war: Zum einen sahen die Gummihauben total bescheuert aus, zum anderen klebten sie an den Haaren, sodass es reinste Folter war, wenn man die PVC-Pelle vom Kopf pulte. Heute allerdings werden DDR-Badekappen im Internet als heiße Vintage-Ware gehandelt. Das Brauhaus-Bad war eine andere Welt. Alles war besser hier: das Blau war blauer, das Was- ser war wässriger und das Nass war nasser. Wer mutig war, sprang vom Startblock: Köpper natür- lich. Die Vorsichtigen machten vom Beckenrand eine Kerze, die Schisser krabbelten die Leiter rein. Voller Freude peitschten wir die ersten Schwimm- züge los, als hätten wir Sorge, dass irgendje- mand gleich den Stöpsel zieht und das Becken trocken legt. Nach zehn Metern entpuppte sich die 50-Meter-Bahn als unendlich lang, die Leinen avancierten zum rettenden Ufer – zum Ärger der Bademeister: „Runter von der Leine“, brüllten sie durch die Halle, nachdem sie zuvor scheinbar ihr gesamtes Lungenvolumen durch eine Trillerpfei- fe gepresst hatten, um auf sich aufmerksam zu machen. Es waren herrliche Stunden. Wir tauchten um die Wette, sprangen heimlich vom Beckenrand, an dem geschrieben stand: „Vom Beckenrand springen verboten“, im Wasser verloren sich Raum und Zeit. Der Brauhausberg war unsere blaue Lagune, unsere Karibik, unser Ozean. Wir hatten Spaß ganz ohne Spaßbad. Zwischendurch gab’s Bockwurst und Brot und Brause. Und für manch einen war das Duschen am Ende die Krö- nung des Tages. Am Abend kamen wir mit stren- gem Clorgeruch in den Haaren und roten Augen nach Hause. So riesig einem als Kind die Schwimmhalle vorkommt, so riesig ist die Baugrube heute da- vor. Fast von heut auf morgen klaffte plötzlich ein monströses Loch im Brauhausberg. Bis zum Herbst nächsten Jahres soll darin ein neues Frei- zeitbad wachsen. Heute genügt es nicht mehr, ein Becken mit Wasser zu füllen, um Spaß beim überdachten Baden zu haben. Heute braucht es Spaß-Apps: 80 Meter lange Röhrenrutschen, Sprunganlagen … Es wird alles noch besser und der Badespaß spaßiger. Noch kann man im Bad Am Brauhausberg sei- ne Bahnen ziehen. Bis zur Eröffnung des Neuen kann man quasi synchronschwimmen: Im alten Becken in Erinnerungen baden und beim Blick aus dem Fenster schon mal – gedanklich – in die Zukunft rutschen. Drinnen in Nostalgie tauchen und draußen das Neue auftauchen sehen. Es gibt nur wenige Orte in Potsdam, wo für noch kurze Zeit Kindheitserinnerungen und Zukunft quasi zu- sammenfließen.

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